Pilze

Die folgende generelle Kurzeinführung zur Biologie der Pilze bezieht sich hauptsächlich auf die, für den heimische Wälder durchstreifenden Pilzsammler interessanten Klassen der „Großpilze“ (Basidio- und Ascomyceten).

Pilze bilden neben den Pflanzen und Tieren ein eigenes Reich, welches mit schätzungsweise bis zu 3,8 Millionen Arten das Reich der Pflanzen um etwa das Sechs- bis Zehnfache übertrifft.
Etwa 120 000 Pilzarten sind derzeit bekannt und wissenschaftlich beschrieben, was etwa 8% der globalen Pilzvielfalt entspricht.
Etwa 1/4 der Biomasse unseres Planeten besteht aus Pilzen (von den Gletschern der Arktis bis zu den Steinen der Wüsten).

Als Trophäen des gemeinen Pilzsammlers gelten gemeinhin die Gattungen, welche mit bloßem Auge leicht zu lokalisierende Fruchtkörper in heimischer Wald und Flur ausbilden. Dies spiegelt jedoch nur einen kleinen Teil des Gattungs- und Artenreichtums wider.
So dienen Pilze nicht nur zu Speisezwecken, sondern nehmen Schlüsserollen in vielen Bereichen des täglichen Lebens ein. Als Beispiele seien die Herstellung von Nahrungsmitteln (Alkohol, Käse, Sauerteig) sowie der biotechnologische (Enzymproduktion, Vitamine, organische Säuren) und pharmazeutische (Antibiotika) Sektor genannt.


Die Aufnahme der Nahrung erfolgt osmotroph in Form wasserlöslicher, niedermolekularer Verbindungen durch die Zellwand, welche hauptsächlich aus Chitin (wie bei den Insekten) und Glucan besteht. Hochmolekulare Makromoleküle (Polymere) wie Zellulosen, Pektine, Stärke, Eiweiße, Keratin sowie Lipide müssen erst durch sekretierte Enzyme (Exoenzyme) extrazellulär aufgeschlossen („verdaut“) werden. Dazu benötigen sie als hygrophile Organismen ein zumindest feuchtes, lebendiges oder totes Substrat, um die aufgeschlossenen und gelösten Nährstoffe auzunehmen.


Die Strategie des äußeren Aufschlusses bedingt die Notwendigkeit eines Durchwachsen des Substrates. Dies geschieht mittels Ausbildung einfacher, wenig differenzierter Flechtgewebe, welche aus dünnen, miteinander kommunizierenden „Fäden“, den Hyphen mit 0.5 µm bis 100 µm Durchmesser bestehen. Die Gesamtheit der Hyphen wird als Myzel oder Thallus bezeichnet.

Abbildung 1: Die wichtigsten ökologischen Nischen der Pilze im Ökosystem „Wald“
① Saprobionten ② Parasiten ③ Symbionten

Im Uhrzeigersinn: Pilze der Gehölze (z.B. Mehltau); Holzzerstörende Pilze; Parasiten der Bodenflora; Korophile (Kotbewohner); Holzbewohner unterirdischer Substrate; Tierparasiten im Boden (z.B. Nematodenfänger); Mykorrhizen; Humusbewohner & Parasiten auf Pilzen; Keratinophile (auf Hornsubstraten); Saprobionten auf Zweigen; Saprobionten auf Früchten; Saprobionten der Streuschicht (Laub und Nadeln); Parasiten in und an Tieren (Mykoseerreger) & Saprobionten/Kommensalen im Darm; Flechten des Bodens und an Gehölzen; Pilze an Früchten und Baumflüssen
(Tafel nach Dörfelt&Görner 1989, verändert und neu gezeichnet)



I. Saprophytismus (oder „Natürliches Recycling“)
Die Saprobionten, welche faulende oder verwesende, organische Substraten aufschließen, stellen die größte Gruppe im Reich der Pilze. Als Nahrungsquelle dienen u.a. tierische Exkremente (coprophil), Humus (terricol), Brandstellen (carbophil), Holz (lignicol) und Blätter (foliicol).

II. Parasitismus (oder „Leben auf Kosten von Leben“)
Parasitische Pilze gehen mit den Wirtsorganismen ein enges räumliches sowie ernährungsphysiologisches Abhängigkeitsverhältnis ein. Der Nutzen liegt dabei einseitig beim Parasiten, welcher den Wirt zeitweise oder dauerhaft schädigt. Übergänge zu Saprophyten sind meist fließend.

III. Symbiosen (oder „Zum gegenseitigen Nutzen“)
Symbiontische Pilze leben mit anderen Organismen in gesetzmäßigem unmittelbaren Kontakt, wobei im Gegensatz zu den Parasiten keiner der gekoppelten Partner einen alleinigen Nutzen zieht. Wesentlich für eine Symbiose sind körperlicher Kontakt, Stoffaustausch sowie charakteristische morphologische Strukturen, welche sich an der Kontaktstelle unterschiedlicher Artenzugehörigkeit entwickelten. Als Mykorrhiza (Pilzwurzeln) bezeichneten Symbiosen sind in den terrestrischen Ökosystemen aller Kontinente von entscheidender Bedeutung. Geschätzt 80% aller Pflanzengattungen sind mit Pilzen vergesellschaftet. Der Pilzpartner liefert gelöste mineralische Stoffe und wird im Gegenzug mit löslichen Kohlenhydraten versorgt.

Eine Form der Sporenbildung am Beispiel eines Täublings (Russula sp.). Die rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der Sporen zeigt die für diese Gattung charakteristische Ornamentierung.

Der Großteil der Pilze vermehrt sich mittels unterschiedlicher Arten von Keimzellen, z.B. den Sporen (Abb 2.). Die Fruchtkörper und die Schicht (Hymenium) in/an denen die Sporenbildung stattfindet können dabei vielfältige Formen aufweisen. Diese sporenbildenden Fruchtkörper sind das Begehr des gemeinen Pilzsammlers. Sie sind gleichfalls, neben dem Wuchsort, die Ausgangsbasis für die Bestimmung eines Pilzes.

Literatur & Quellen
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Bresinsky, Andreas: Pilze und Flechten – Morphologie, Systematik, Bestimmung. Springer Spektrum Berlin, Heidelberg, 2021.
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Schön, Georg: Pilze. Lebewesen zwischen Pflanze und Tier. C.H.Beck, 2005.
Schwantes, Hans O.: Biologie der Pilze : eine Einführung in die angewandte Mykologie. Stuttgart: Ulmer, 1996.